Arbeitskreis Medizingeschädigter
BUNDESVERBAND -AKMG- e.V.

in Kooperation mit dem Privaten Netzwerk Medizingeschädigter


Ahlers will rasch ins Klinikum zurück

"Sobald wie möglich" will Professor Jürgen Ahlers seine Arbeit im Klinikum wieder aufnehmen.

Kölner Stadtanzeiger vom 28.04.2005

VON HARTMUT ZITZEN


"Sobald wie möglich" will Professor Jürgen Ahlers seine Arbeit im Klinikum wieder aufnehmen.

Noch hat das für Leverkusen zuständige Arbeitsgericht Solingen im Rechtsstreit von Professor Jürgen Ahlers gegen das Klinikum keine abschließende Entscheidung getroffen. Fest steht einstweilen nur, dass die gegen den Chefarzt der Unfallchirurgie ausgesprochenen Kündigungen zumindest erstinstanzlich unwirksam sind. Bestandteil der Klage sind darüber hinaus aber zahlreiche Zusatzanträge, in denen es unter anderem um Entschädigungszahlungen für Ahlers' Verdienstausfall und die erlittene Rufschädigung geht. Darüber will das Gericht noch befinden.

In der Verhandlung am Dienstagnachmittag im Opladener Amtsgericht hatten die Parteien schweres Geschütz gegeneinander aufgefahren. Von Seiten des Klinikums wurden dem Mediziner gravierende dienstrechtliche Verfehlungen vorgeworfen, bei denen es vor allem um falsche Abrechnungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung ging. Ahlers habe in zahlreichen Fällen Honorare für Leistungen liquidiert, hieß es, die andere Ärzte erbracht hätten. Zum Beweis verwies Klinikum-Prokurist Hans-Peter Zimmermann auf eidesstattliche Versicherungen dieser Ärzte.

Das Arbeitsgericht sah darin aber keinen vorsätzlichen Betrug, sondern ging - wenn der Vorwurf denn überhaupt stimmen sollte - von Fahrlässigkeit aus, da sämtliche Abrechnungen vom Verwaltungspersonal des Klinikums erstellt und von Ahlers nur gegengezeichnet wurden. Ohnehin hatte Richter Oliver Klose sich im Verlauf der Verhandlung mehrmals laut darüber gewundert, dass die Klinikleitung dies offenbar jahrelang toleriert habe, statt eine Abmahnung auszusprechen.

An diesem formalen Fehler scheiterten letztlich auch alle anderen Vorwürfe, die in den insgesamt vier Kündigungsschreiben enthalten waren. Ob Ahlers tatsächlich bis zu 50 Minuten verspätet zu Operationen erschienen war oder sich der Vorteilsnahme im Zusammenhang mit dem Pharmakonzern-Skandal schuldig gemacht hat, blieb damit für das Gericht von minderem Interesse. Auch die Tatsache, dass der Betriebsrat des Klinikums den Kündigungen zugestimmt hatte, spielte keine Rolle, weil das Gericht davon ausging, dass der völlig unbewiesene Vorwurf der Vorteilsnahme dafür den Ausschlag gegeben hatte.

Unabhängig von der fast zwei Stunden lang ausführlich erörterten Rechts- und Sachlage war allen Beteiligten des Verfahrens anschließend allerdings auch klar, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Parteien offenbar heillos zerrüttet ist. Richter Klose tat deshalb das, was in solchen Fällen gängige Praxis der Arbeitsgerichte ist und schlug einen Vergleich vor: Fristgerechte Kündigung zum 30. Juni gegen Zahlung von 700 000 Euro Abfindung. Ahlers lehnte dies ab, um kein Schuldeingeständnis abzugeben, und bekam, was er wollte - das Gericht erklärte die Kündigungen für unwirksam.

Auf Anfrage ließ der Chirurg gestern über seinen Anwalt Ulrich Steffen erklären, er werde "seine Tätigkeit im Klinikum sobald wie möglich wieder aufnehmen, weil das Arbeitsgericht durch Urteil die Weiterbeschäftigung von Herrn Professor Ahlers durch das Klinikum Leverkusen angeordnet hat". Günther Kempkes, Geschäftsführer des Klinikums, teilte dazu mit, dass die schriftliche Begründung des Gerichts abgewartet und dann das weitere Vorgehen beraten werde.



Der Kölner Stadtanzeiger berichtet am 27.04.2005 wie folgt:

Arbeitsgericht gibt Professor Ahlers Recht

Für unwirksam hat das Arbeitsgericht gestern die Kündigungen gegen Professor Jürgen Ahlers erklärt.

Leverkusen - Der Chefarzt der Unfallchirurgie des Leverkusener Klinikums hat einen vorläufigen Sieg gegen seinen Arbeitgeber errungen, der ihm im vergangenen Dezember zunächst fristlos, wenige Wochen später dann hilfsweise fristgerecht gekündigt hatte. Vorangegangen waren Beschwerden von Patienten Ahlers' über ärztliche Kunstfehler, die von der Gutachterkommission der Ärztekammer Nordrhein in einem Fall auch bestätigt worden waren.

In der Verhandlung vor dem zuständigen, in Opladen tagenden, Arbeitsgericht Solingen ging es gestern allerdings nicht um echte oder vermeintliche Behandlungsfehler, sondern nahezu ausschließlich um die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen, die wirksame Kündigungen erfüllen müssen. Ohnehin hatte das Klinikum Ahlers' Rauswurf nicht in erster Linie mit Kunstfehlern begründet, sondern mit zahlreichen anderen Vorwürfen, die gestern erstmals öffentlich zur Sprache kamen.

Die Debatte zwischen den gegnerischen Parteien - Ahlers mit seinem Rechtsanwalt auf der einen, Klinikum-Prokurist Hans-Peter Zimmermann mit einem Juristen auf der anderen Seite - nahm dabei zeitweise die Züge einer Schlammschlacht an, als Kläger und Beklagte sich gegenseitig schwerste Verfehlungen vorwarfen. Der Chirurg sah sich unter anderem mit dem Verdacht des Abrechnungsbetrugs gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung konfrontiert, den das Klinikum aber noch nicht gemeldet hat, "um unserer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung nicht auch noch eine strafrechtliche Dimension zu verleihen", wie Zimmermann erklärte. Ahlers' Anwalt konterte diesen Vorwurf mit der Erwiderung, dass er von einem Fall wisse, in dem die Klinikumleitung bei einem anderen Arzt stillschweigend über falsche Abrechnungen hinweggegangen sei und sogar den Strafbefehl gegen den Mediziner bezahlt habe. Noch empörter reagierte Ahlers auf die Behauptung, er sei mehrmals zu spät zu Operationen erschienen, in einem Fall gleich um 50 Minuten. Sein Rechtsanwalt sprach daraufhin von schlechter Organisation, mangelnder Hygiene, defekten Schläuchen und dem damit zusammenhängenden Verdacht auf einen fahrlässig verursachten Todesfall im Klinikum.

An diesem Punkt zog Richter Oliver Klose die Notbremse und unterbrach die Verhandlung, um den erhitzten Gemütern Gelegenheit zur Besinnung zu geben. Danach versuchte er, die mittlerweile unübersehbar verfeindeten Parteien mit einem Kompromissvorschlag zu einigen. Die fristlose Kündigung sollte demnach in eine fristgemäße zum 30. Juni umgewandelt und mit einer Abfindung in Höhe von 700 000 Euro versüßt werden. Diese Summe errechnete Klose aus der verbleibenden Lebensarbeitszeit Ahlers' und seinen jährlichen Einkünften: 75 000 Euro vom Klinikum sowie 250 000 Euro aus "ärztlichen Nebentätigkeiten".

Während Zimmermann darüber zumindest nachdenken wollte, lehnte der Chirurg das Angebot rundweg ab - es käme einem Schuldeingeständnis gleich, wo er doch vors Arbeitsgericht gezogen sei, um seine Reputation wiederherzustellen. Das Gericht sah sich damit zu einer Entscheidung gezwungen, die zu Ahlers' Gunsten ausfiel. Über zahlreiche Zusatzanträge des Arztes, unter anderem zu Entschädigungen, wird erst zu einem späteren Zeitpunkt befunden.



[ Impressum | Haftungsausschluss / Disclaimer | Kontakt ]

© 2005 by Arbeitskreis Medizingeschädigter BUNDESVERBAND -AKMG- e.V.